Den ganzen nächsten Vormittag regnet es, aber es wird überhaupt nicht
kühler. Gegen elf Uhr machen wir uns auf den Weg nach
Thiruvananthapuram, der Hauptstadt Keralas. Durch Attingal kommen wir
erstaunlich gut durch, denn hier haben wir schon öfter böse im Stau
gestanden, denn die Hauptstraße nach Trivandrum führt durch das Nadelöhr
des Zentrums dieser Stadt. Auch auf dem Rest der Strecke kommen wir
relativ gut voran, so dass wir nach gut einer Stunde die Stadt
erreichen. Wir steuern das 'Pothys' an, das neue große Kaufhaus,
hauptsächlich für Bekleidung. Allein der Eingang ist schon beeindruckend
und ähnelt eher dem Zugang zu einem Tempel, denn dem zu einem Kaufhaus.
Vom Erdgeschoss bis zur zweiten Etage gibt es ausschließlich
Damenbekleidung und das meiste davon sind Saris in allen möglichen
Ausführungen. Von den in verschiedenen Qualitäten und Materialien
hergestellten Alltagssari bis hin zu den teuren und prächtigen
Hochzeitssaris gibt es hier alles, was das Herz einer Inderin begehren
könnte. Es ist ein Fest der Farben und man kann sich kaum an den schönen
Mustern und Besätzen der Stoffe satt sehen. Leider darf man hier nicht fotografieren. Hier kaufe ich mir ein paar
von den Hosen, die in Indien zusammen mit den langen Oberteilen und
Tuch dazu als Salwar Kameez bezeichnet werden. Es ist eigentlich eine
Art Leggings, nur dass sie immer viel zu lang sind, aber hier wird das
so getragen. Das kommt mir sehr entgegen, denn bei meiner Größe sind mir
die Deutschen Leggings immer viel zu kurz; die hier gekauften erstmals
zu lang.
In der dritten Etage gibt es die Bekleidung für den
Herren, westliche Kleidung genauso wie Traditionelle. Ähnlich wie die
Saris werden die Mundus, das sind die Röcke der Männer in einer großen
Vielfalt angeboten. Der teuerste, den ich entdecken kann kostet 250
Euro!! Vielleicht sind die mit Goldfäden durchzogen, dass sie so teuer
sind. Wunderschön sind auch die dicken, knielangen und reich verzierten
Jacken für festliche Anlässe und Hochzeiten, von denen einige bis zu 300
Euro kosten. Meine Männer decken sich noch einmal mit den schönen
Hemden ein, die es so bei uns gar nicht gibt. Vom Muster her wie die
Holzfällerhemden aus Kanada aber in vielen verschiedenen
Farbkombinationen und zwei Levis Jeans für je 30 Euro.
Im vierten
Stock gibt es alles für das Kind: Kleidung, Spielsachen und
Babyausstattungen, dann folgt eine Etage für Elektronik, Küchenzubehör
und Kosmetik, und ganz oben gibt es Teppiche. Zum Schluss gehen wir ins
Untergeschoss, wo man Lebensmittel kaufen kann. Die Auswahl an Gewürzen
ist exorbitant. Daneben ist sogar die in gut sortierten Supermärkten bei
uns in Deutschland nur als mickrig zu bezeichnen. Ich muss mich zurück
halten, nehme aber ein paar Sachen mit, die es bei uns nicht gibt. Das
meiste bekomme ich im Asialaden in unserer Stadt. Natürlich nicht in
dieser Bandbreite. Und einen riesigen Sack voll mit einer Indischen
Knabberei, ähnlich dünnen aber viel knusprigeren Erdnussflipps, die sehr
pikant gewürzt sind.
Für den Rückweg wählen wir eine andere Route und fahren lieber
parallel zum Meer und mehrmals die Backwaters überquerend durch die
Dörfer. Inzwischen ist es halb vier und die Indischen Kinder haben
Schulschluss. Überall sieht man die adrett gekleideten Schülerinnen und
Schüler in ihren Schuluniformen, Männer sitzen entspannt vor ihren
Häusern und was ich ganz besonders an Indien mag: fährt man mit offenen
Fenstern hört man immer wieder von irgendwo her Indische Klänge und es
duftet allenthalben nach leckerem Essen. In dieser Gegend scheint es
auch viele Christen zu geben, denn wir fahren an mindestens vier Kirchen
vorbei, die alle obenauf mit einem mindestens lebensgroßen Jesus
geschmückt sind. Aber auch Moscheen und Hindutempel sind zu sehen. Es
scheint ein friedliches Miteinander der verschiedenen Religionen zu
herrschen. Von Auseinandersetzungen habe ich noch nichts gehört.
Gegen
fünf Uhr sind wir zurück im Hotel, dann geht ein regelrechter Wolkenbruch
über uns hernieder. Es blitzt und donnert in einer Tour und der Regen
ist auch für diese Gegend ungewöhnlich heftig. Wir wollen dann aber doch
noch am Cliff essen gehen, also begeben wir uns, als der Regen etwas
nachlässt, dorthin und kehren wieder im 'Tibetan Kitchen' ein. Dort gibt
es nach unserem Geschmack einfach das beste Essen hier. Das Restaurant,
das inzwischen 'Little Tibet' heißt, aber nicht das Original ist, hat
auf der Karte fast ausschließlich Essen für Europäer im Angebot. Wer's
braucht!?! Über dem Meer zucken noch immer die Blitze am stockfinsteren
Himmel und erhellen die weit draußen liegenden Boote der Fischer, die
bereits um diese Uhrzeit ihrer Arbeit nachgehen.
Zurück auf
unserer Terrasse unterhalten wir uns recht lange mit Abhilash. Er zeigt
uns ganz stolz die Pläne für sein neues Haus, das ab Mitte des Monats
gebaut werden soll. Und dann rückt er mit für uns unschönen Neuigkeiten
heraus. Er wird in absehbarer Zeit seinen Arbeitsplatz wechseln und ins
Deshadan in Munnar gehen. Auch Sajin beabsichtigt in der Nähe seiner
Heimatstadt eine andere Arbeit zu finden, denn Varkala ist einfach zu
weit weg und schließlich ist er jetzt verheiratet. Ich hatte darüber
schon mit Divya gesprochen, die mir sagte, dass sie Sajin immer nur alle
ein oder zwei Monate sehen kann. Das ist natürlich keine gute Basis für
eine junge Ehe und ich kann es gut nachvollziehen. Wenn es so kommt,
haben wir keinen Grund mehr, nach Varkala zu fahren, denn wir kommen
nicht nur wegen des Ortes oder des Hotels, sondern vor allem wegen
unserer Freunde hierher. Etwas traurig gehe ich dann ins Bett.
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