RIO GRANDE - BRASILIEN




Die Einfahrt in den Hafen von Rio Grande und die Freigabe des Schiffs dauert bis zwölf Uhr am Mittag. Für heute ist keine Aktivität geplant, weil die Stadt nicht interessant genug ist. Wer möchte kann natürlich dennoch das Schiff verlassen und sich auf eigene Faust an Land begeben, was auch einige von uns tun. Der Shuttlebus fährt uns ins Zentrum, wo wir am Stadtpark aus­steigen. Der ist klein und unspektakulär bis auf zwei gigantische Gummibäume in der Mitte.

Obwohl diese brasilianische Großstadt annähernd 200.000 Einwohner hat, bietet sie touristisch so gar nichts. Sie liegt nahe der Grenze zu Uruguay im extremen Süden des Landes. Die ei­gentliche Bedeutung der Stadt beruht auf dem Hafen am Eingang der Lagoa dos Patos, der einer der größten Seehä­fen Brasiliens ist. Unternehmungslustig streifen wir durch die Hauptgeschäfts­straße der Stadt von der einen Kirche bis zur anderen, die Anfang und Ende derselben markieren. Zu sehen bekom­men wir einen Drogeriemarkt am ande­ren, mit riesigen Stapeln von Windeln in den Eingangsbereichen und Regalen voll mit Haarfärbemitteln, wenige Geschäfte mit Kleidung, die niemand von uns ha­ben will und Elektronikläden, kaum Restaurants oder Cafes, keine Super­märkte. 


 









Um vielleicht doch noch einen landesty­pischen Eindruck mitzunehmen, bege­ben wir uns mit zwei Freunden zur Markthalle direkt am Wasser, die aber noch unerfreulicher und langweiliger daherkommt als der Rest der Stadt. Direkt daneben sind die riesigen über­dachten Steintische, an denen morgens die Fische ausgenommen werden, die dann an den Ständen und Essbuden der Halle verkauft werden – das riecht man auch noch.

Direkt gegenüber entdecken wir eine Hafenkaschemme, gleich neben einem nur an der unteren Hälfte grün und rot angestrichenen Hotel. Vor dem sitzt wahrscheinlich der Angestellte auf ei­nem Stuhl, einen Plastikbehälter mit Süßigkeiten auf dem Schoß, die er viel­leicht eigentlich feilbieten soll; aber er schläft. Wir beschließen, in der Ka­schemme etwas zu trinken. Der Raum ist sehr einfach eingerichtet mit geka­cheltem Fußboden. Die einzige Dekora­tion an der Wand sind Werbeplakate für Bier und bunte Säfte. Ganz hinten ist die offene Küche zu sehen.

Gleich am Eingang befindet sich an der Wand ein kleines Waschbecken zum Händewaschen, wahrscheinlich in Er­mangelung einer Toilette, das Handtuch sehe ich mir lieber nicht genauer an. Am Tresen stehen zwei dicke Brasilianerin­nen, die sich köstlich amüsieren über unsere Verständigungsprobleme mit der Bedienung, denn die versteht kein Wort Englisch und auch das Wort „beer“ ist ihr nicht bekannt, aber es wird auf bei­den Seiten viel gelacht. Cerveza versteht sie dann aber und bringt den Jungs zwei riesige Flaschen, die zur Kühlung in gel­ben Plastikbehältern stecken. 


















Softdrinks wie Cola oder Sprite gibt es hier nicht, deshalb deuten Nancy und ich auf die auf den Plakaten an der Wand abgebildeten bunten Saftflaschen. Das Mädel kommt daraufhin mit einem schmuddeligen Zehnliterkanister mit einer orangen Flüssigkeit darin und feuchten Gläsern, die wer weiß worin gespült wurden. Da wir keine Darmer­krankung riskieren wollen, bestehen wir dann doch lieber auf die Flaschen an der Wand und irgendwann versteht sie auch, was wir wollen. Schließlich be­kommen wir zwei original verschlossene Flaschen, deren Inhalt zwar pappsüß und künstlich schmeckt, dafür aber si­cherlich gesundheitlich unbedenklich ist.

Eine uralte klapperdürre Elendsgestalt hinter uns, die mir gleich leid tut, bestellt sich etwas zu essen. Sie erhält einen bunten Teller, auf dem Nudeln, zwei Empanadas, ein dunkel­brauner Bohnenbrabs und Pommes ge­häuft wurden. Dies ist sicherlich ein Ort, wo die armen Fischer und Tagelöhner ein billiges und satt machendes Essen bekommen können. Als es ans Bezahlen geht, gibt es das nächste Problem. Zu­nächst dauert es eine Ewigkeit, bis die Bedienung die acht Real für unsere vier Getränke zusammen gerechnet und dann haben wir nur einen Zwanzig-Dollarschein und man kann hier nicht in Dollar rausgeben.

Ratlos geht das Mädchen mit dem Geld­schein zum Tresen, hinter dem anschei­nend der Chef steht. Der beginnt mit den drei männlichen Gästen, die davor sitzen, eine lebhafte Diskussion, was man uns an Wechselgeld geben müsste. Irgendwann ist man sich wohl einig und wir bekommen einen Betrag in Real zurück. Da wir den Wechselkurs kennen und wussten, was das Bier kostet, kön­nen wir feststellen, dass die Bemühun­gen, uns nicht zu betrügen, erfolgreich waren. Schließlich begeben wir uns zu­rück zum Schiff. Alle anderen, die auch in Rio Grande unterwegs waren, haben trotz eifriger Suche ebenfalls nichts In­teressantes in der Stadt gefunden, so dass wir dem Reiseleiter im nachhinein zustimmen müssen, dass ein Landgang in Rio Grande nicht wirklich lohnt. Aber immerhin haben wir zum ersten Mal brasilianischen Boden betreten.

Bei dem herrlichen Wetter, das während der gesamten Reise herrscht, ist natür­lich faul am Pool liegen oder die Poolbar durchprobieren eine willkommene Alter­native. Das sehen die meisten anderen auch so.




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