Als
wir uns um zehn alle vor dem Hotel versammelt haben, erwartet uns eine
unangenehme Überraschung. Da unser Flug nach Phoenix kurzfristig gestrichen
wurde, werden wir den Weg zur letzten Station unserer Reise mit dem Bus
zurücklegen. Das bedeutet eine reine Fahrzeit von ca. sechs Stunden. Bis dahin
haben wir noch zwei Stunden Zeit, in der wir uns, auch in Anbetracht der
langen Fahrt, eine letzte Margarita holen – diesmal on the rocks und stärker
gemischt. Als der Chef uns mit dem Riesenteil sieht, möchte er von uns wissen,
wo man so was bekommt und eilt noch mal los, um sich auch einen Drink zu
besorgen. Das Weichei kommt dann aber nur mit einer Cola zurück.
Um
zwölf besteigen wir leicht angesäuselt den Bus und verlassen Las Vegas auf dem
Weg nach Scottsdale. Nach einer Weile passieren wir ein Schild, das uns
mitteilt, dass wir uns nun in Arizona befinden. Wir biegen ab auf die
Interstate 40 und befinden uns damit auf der Strecke der legendären Route 66.
Die Route 66 war die erste Nationalstraße Amerikas und während der großen
Depression Fluchtstrecke aus der Armut ins „goldene Kalifornien“. Sie wurde
gern von Abenteurern genutzt, die von Ost nach West tingelten. Entlang der
Route 66 eröffneten Motels, Truck-Stops, Restaurants, Diners und Tankstellen;
einige von ihnen existieren heute noch, teilweise schon in der dritten
Generation. Den Mythos der Route 66 haben Sänger, Schriftsteller und
Filmemacher immer wieder neu belebt. Sie war über 4000 km lang und durchquerte
acht Staaten. Heute sind nur noch Teilstrecken der Route 66 zu befahren. Sie
wurde nach und nach durch die Interstate ersetzt. 1985 wollte man sich endgültig
von ihr trennen, doch die Stilllegung der Strecke bewirkte das Gegenteil. Die
Route 66 Associations haben sie neu entdeckt und streckenweise wiederbelebt.
Für
das verspätete Mittagessen halten wir an einem Rastplatz, wo es gleich mehrere
Fast Food Restaurants gibt. Zur Auswahl stehen McDonalds, Jack in the Box und
ein Pizzaladen. McDonalds gibt es auch bei uns zu Hause also gehen wir zu Jack
in the Box und weil ich mir geschworen hatte, die USA nicht zu verlassen, ohne
dort einen Burger gegessen zu haben, wähle ich für mich einen doppelten
Cheeseburger. Wie sich herausstellt, war das ein großer Fehler. Das Ding kommt
ohne jegliche Vitamineinlage und ist einfach nur schmierig und fettig. Nach
der Hälfte finde ich, meiner Pflicht genüge getan zu haben und gebe den Lappen
an Thomas weiter. Des einen Freud des anderen Leid: der Chef freut sich, dass die
Burger hier ohne das lästige Grünzeug zusammen gestellt werden. Wieder im Bus bekomme
ich ein Blättchen in die Hand: Die
Hofbräuhaus Times von Las Vegas. Es handelt sich dabei um eine Werbezeitung
für das dort ansässige Hofbräuhaus und verspricht großartige Events wie
beispielsweise Maßkrugstemmen Championship oder den Auftritt der Zankl´s
Vagabunden mit schuhplattling und yodeling.
Zurück
auf der Interstate verändert sich nach einer Weile die Landschaft. Die Wüste
wird zur Steppe und je höher wir uns auf den zum Teil serpentinenartigen
Straßen hinauf schrauben, desto mehr Nadelbäume prägen die Umgebung. Bald erreichen
wir die fantastische Bergwelt des Red Rock Country und es fällt nicht schwer,
nachzuvollziehen, warum diese Gegend so heißt. Es tauchen die ersten roten
Felsen auf, die für Arizona so typisch sind. Hinter jeder Biegung sieht man
weitere. Jeder ist unterschiedlich geformt, sie stehen einzeln oder in Gruppen,
sind mal riesig mal kleiner und das bis zum Fuß hinauf wachsende Grün bildet
einen tollen Kontrast zu dem roten Gestein. Auf unserer Route liegt das von
malerischen Felsen umgebene Städtchen Sedona, wo wir Halt machen, um es uns in
Ruhe anzusehen und die doch recht lange Fahrt ein wenig aufzu-lockern.
Sedona
ist sicherlich einer der schönsten Orte der USA. Als solcher zieht die
17.000-Einwohner-Siedlung nicht nur Touristen und Landschaftsfreunde an,
sondern auch New-Age-Jünger, die an den besonderen Zauber des Ortes glauben.
Sie sind der Meinung, dass in der Umgebung so genannte Vortexe existieren,
Punkte, an denen elektromagnetische Energien für den Menschen kanalisiert
werden können. Neben den Vortex-Gläubigen haben sich über die Jahre auch noch
viele Kristalldeuter, Engels- und Meditationsfans sowie UFO-Anhänger angesiedelt
und den kleinen Ort zu einer Metropole der Andersdenkenden gemacht. Das
kurioseste Angebot besteht jedoch in einer Aura-Massage. Die ehemalige
Mormonensiedlung ist ein junger Ort. Noch vor 50 Jahren lebten hier gerade
einmal 400 Menschen. Der hübsche Name ist ein Zufall, wollte doch der Pionier
Theodore Schnebly seine kleine Siedlung im Jahr 1902 zunächst Schnebly Station
nennen. Doch die Postbehörde in Washington lehnte den Namen als zu lang ab. Kurzerhand
schlug er den Vornamen seiner Frau Sedona vor und das Postamt akzeptierte ihn.
Von
der Hauptstraße aus können wir uns für eine Stunde in der Stadt umsehen, in
die Geschäfte oder gemütlich einen Kaffee trinken gehen. Versteckt am hinteren
Ende des Parkplatzes hat man eine tolle Aussicht auf die monumentalen Felsformationen,
für die Sedona berühmt ist. Ob es sich dabei um den Bell Rock handelt? Auf
jeden Fall genießen wir wieder einmal einen großartigen Blick auf eine weitere einzigartige
Landschaft Amerikas.
Die Red Rock Mountains von Sedona
Als
wir auf den Parkplatz zurückkommen, sind fast alle schon weg, nur einige
sitzen auf einem Planwagen und stehen kurz vor der Abfahrt. Wir steigen auch
noch ein. Thomas bekommt den letzten Platz auf der Bank und ich setze mich auf
den Kutschbock zwischen den Kutscher und einen Cowboy, der während der kurzen
aber vergnüglichen Fahrt auf seinem Banjo vor sich hin klampft. Es kommt fast
ein wenig Pionierromantik in den kleinen Sträßchen auf durch das Klappern der
Hufe im Zusammenspiel mit den amerikanischen Weisen des Cowboys und dem Blick
auf die uns umgebenden Berge. Den Rest der Zeit verbringen auch wir in den
Geschäftchen, um ein paar Mitbringsel zu besorgen. Ein T-Shirt mit Klapperschlange
für Nico und eins mit einem Gecko für Thomas, ein Käppi für Opa und natürlich
einen Kühlschrankmagneten.
Nachdem
wir Sedona hinter uns gelassen haben, liegt die letzte Etappe bis zu unserem
Hotel vor uns. Wir fahren zum Teil kilometerweit auf dem schnurgeraden Highway
und wer auf dieser Strecke nicht schläft, hat wieder die Gelegenheit durch das
Fenster des Busses typisch amerikanische Eindrücke zu sammeln. Wieder
verändert sich die Landschaft. Die roten Felsen werden abgelöst von einer Hügellandschaft,
zu deren Füßen sich die karge Prärie erstreckt, die geprägt ist von
vertrocknetem Gras und verschiedenem Buschwerk. Die ersten Kakteen tauchen
auf. Die zwei verschiedenen Fahrtrichtungen des Highway sind durch einen
breiten Grünstreifen voneinander getrennt, so dass man wie im Film auf den
Highway blickt, auf dem die PKW und die dicken Trucks dem Horizont entgegen
fahren. Hier und da sieht man kleine Ansammlungen von Häusern oder vereinzelt
verstreute Wohnwagen, in denen die Menschen leben, die sich kein Haus leisten
können. Ein Rocker auf seiner Harley trägt offen seine Knarre am Gürtel, was
hier erlaubt ist. Als die Sonne hinter den Hügeln untergeht, heben sich die Silhouetten
der Kandelaberkakteen wie Scherenschnitte gegen den Himmel ab.
Gegen halb neun erreichen wir in der Dunkelheit das Four Seasons Resort
bei Scottsdale, wo wir die letzten zwei Tage verbringen werden. Um den Ablauf
des Abends zu verkürzen, gehen wir zuerst zum Abendessen. Wir bestellen beide
Lammfleisch, das überraschend zart ist. Unser Zimmer liegt am hinteren Ende
der Anlage, also lassen wir uns vom Kofferwägelchen dorthin fahren und beenden
den Tag für heute.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen