Wir gönnen uns mal wieder einen faulen Tag. Gehen nach dem Frühstück an den Pool zum faulenzen, lesen und schwimmen. Mittagessen beim Thai ist recht lecker, dann hängen wir wieder ab und Thomas und ich klemmen uns ins Internet, um für morgen nach Aktivitäten zu suchen. Geplant sind Rafting und Quad fahren. Wir versuchen Anbieter zu finden, die man direkt anfahren kann, das scheint aber eher unüblich zu sein, denn alles was wir finden sind nur die Veranstalter, die das gesamte Paket verkaufen mit Abholung im Hotel und Mittagessen. Oder wir stellen uns einfach zu doof an. Wir finden dann schließlich einen, bei dem uns das Paket zusagt und buchen eine Tour für morgen, mit der wir Nico überraschen wollen. Er weiß zwar, dass wir etwas unternehmen aber noch nicht was. Nach dem abendlichen Duschen gehen wir nochmal beim Thai essen wie heute mittag schon, aber diesmal schmeckt es uns nicht so gut. Das Massaman Curry ist überhaupt nicht so wie es sein sollte und auch die Männer sind nicht begeistert von ihrem Essen. Ich glaube auch nicht, dass da wirklich ein Thai in der Küche steht sondern höchstwahrscheinlich Balinesen. Wir sind durch unsere vielen Thailandreisen leider sehr verwöhnt.
Auch das Abendessen ist eher unerfreulich. Meine Jungs haben mal Lust auf "Westessen" deshalb gehen wir in ein ansprechend aussehendes Restaurant wo die beiden einen Burger, Schnitzel und Pizza bestellen. Für mich gibt es nichts anderes als Pommes und Salat. Haha der Horror der Veganer. Aber damit kann man wenigstens kaum etwas falsch machen. Ganz anders bei den drei anderen bestellten Gerichten. Das Schnitzel war wohl noch das beste, der Burger geht gerade so noch und die Pizza ist nahezu ungenießbar. Tja, wer nicht hören will muss leiden. Ich hatte natürlich davon abgeraten aber nun, jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen. An diesem Abend gehen wir auch zeitig ins Bett, denn für unsere Tour werden wir am nächsten Tag zwischen acht und halb neun abgeholt.
Relativ pünktlich steht unser Tourbus vor der Tür und wir sind erstaunt, dass wir ihn exklusiv für uns allein haben. Ich hätte gedacht, dass auch andere Leute dabei sein würden, aber wahrscheinlich gibt es so viele Anbieter, dass nicht jeder jeden Tag voll gebucht ist. Wir haben einen Fahrer und einen Guide, der uns erzählt, wie der Tag ablaufen wird, was uns erwartet und er ist auch sonst sehr informativ, weil er uns immer mal wieder auf das ein oder andere aufmerksam macht und ich frage ihn auch einiges. Ich ergreife gleich die Gelegenheit, ihn zu fragen, ob es auf Bali einen neuen Verkehrsminister gibt und tatsächlich bejaht er dies. Da lagen wir ja richtig mit unerer Vermutung.
Unsere Fahrt führt uns zum Ayung River in der Nähe von Ubud, der von fast allen Anbietern für Rafting und Tubing genutzt wird. Auf dem Weg dorthin fahren wir durch die Straße, die wir schon von früher kennen, in der die ganzen Steinmetze Balis ihre Geschäfte zu haben scheinen. Sie haben alle ihre Kunstwerke draußen ausgestellt, so dass man an unzähligen Ganeshas, Buddhas und allen möglichen anderen Figuren aus der Hinduistischen Mythologie in verschiedenen Größen und Steinsorten vorbei fährt.
Nach gut einer Stunde Fahrt kommen wir zu dem Unternehmen, das die Rafting und Tubing Touren anbietet. Es sei noch erwähnt, dass man für das Tubing 15 Jahre alt sein muss, am Rafting hingegen dürfen auch Kinder teilnehmen. Das wundert mich zunächst, ich mache mir aber keine weiteren Gedanken darüber. Wir ziehen uns unsere Badesachen an und werden in einem Minibus bis zur Einstiegsstelle gefahren. Hier ist es noch so idyllisch. Weiße Reiher erheben sich im Schwarm aus den Reisfeldern und ziehen malerisch am Himmel zu ihrer nächsten Futterstelle. Wir bekommen Helme und Schwimmwesten verpasst und dann geht es im Gänsemarsch zunächst durch einige Reisfelder, bis wir zu einer sehr steilen, mit Moos überwachsenen schmalen Treppe gelangen, die wir schier endlos hinab steigen müssen, bis wir den Fluss am Grunde der Schlucht erreichen. Dort warten aber keine Schwimmreifen sondern 2-er Schlauchboote im Miniformat auf uns.
Bevor
ich nun von unseren beiden Unternehmungen erzähle, muss ich zunächst mal
erwähnen, dass ich bisher schon drei Mal Tubing und zwei Mal Quad fahren
mitgemacht habe. Tubing war dabei eher ein gemütliches vor sich hin Schippern
in einem großen Reifen, nur ab und zu mal etwas bewegter durch minimale
Stromschnellen. Auch wenn wir in Jamaica dafür einmal aussteigen sollten, ich
empfand es als eher harmlos. Genau so verhielt es sich mit dem Quad fahren. Das
waren gemütliche Spazierfahrten. Nun hier in Bali scheint man von diesen beiden
Aktivitäten andere Vorstellungen zu haben, was wir gleich nach dem Einsteigen
feststellen mussten.
Mit uns besteigen noch zwei weitere Pärchen je ein Schlauchboot, alle ausgerüstet mit einem Paddel und Nico kommt zum ersten Guide mit ins Boot. Ein Glück!! Wir haben zwei Begleiter, einen der voran fährt und einen am Ende, der darauf achtet, dass alle zusammen bleiben und hilft, wenn es Probleme gibt. Schon während wir einsteigen müssen wir feststellen, dass der Ayung River ein Highway für Raftingboote zu sein scheint. In einer Tour rauschen die zumeist mit grölenden Insassen voll besetzten Boote an uns vorbei und die Leute schauen mitleidig auf unsere Nussschalen herab. Und ich hatte immer gedacht, Rafting sei gefährlich. Wir fahren nun also los und nur wenige Meter nach dem Start kommen die ersten Stromschnellen über dicke runde Steine. Wir verlieren sofort die Kontrolle über das Mistding und fallen ins Wasser. Ich gehe komplett unter, schlage mir dabei den Brustkorb an einem der großen Steine auf, so dass ich kurzzeitig keine Luft mehr bekomme und als ich wieder an die Wasseroberfläche komme, befindet sich das umgedrehte Boot über mir, so dass ich nicht sehen kann, wo ich mich befinde oder wo Thomas ist. Währenddessen reißt weiterhin das Wasser an mir und ich bekomme den ersten Anflug von Panik. Irgendwie schafft es Thomas mich und das Boot festzuhalten und dafür zu sorgen, dass ich nicht davon treibe, sondern relativ wohlbehalten wieder ins Boot zurück komme. Kaum ist auch er wieder drin, kentern wir erneut und ich habe jetzt, kaum dass es losging, bereits die Schnautze gestrichen voll. Ja, ich habe Angst, dass ich mir alles unter Wasser an den Steinen aufschlage und den Fluss hinunter treibe. Zum Glück haben wir Helme auf, da kann man wenigstens nicht bewusstlos geschlagen werden.
Ich
versuche auszumachen, wie es Nico weiter vorn ergangen ist, aber bei ihm
scheint alles bestens zu sein. Wir fahren also weiter, aber jedesmal, wenn es
wieder in die Stromschnellen über die Steine geht, klammere ich mich an den
Seilen rechts und links fest, die ich zu allem Überfluss laufend neu
festknoten muss. Warum macht man da nicht einfach Griffe dran? Je länger die
Fahrt dauert, und das sind ungefähr zwei einhalb Stunden, desto besser bekommen
wir das Schlauchboot in den Griff. Oder besser gesagt Thomas. Er hat
herausgefunden, dass es besser ist, gegen den Strom und nicht mit dem Strom zu
paddeln. Immer wieder bleiben wir auch auf den dicken Steinen stecken. Dann
muss man so lange hin und her ruckeln, bis man wieder weiter fahren kann und
ständig haben wir die Raftingboote im Nacken und ich fürchte, dass die über uns
drüber fahren. Es ist eindeutig zu viel los hier auf dem Fluss. Wie wir sehen
können, haben auch die anderen Pärchen ihre Probleme. Obwohl sie viel leichter
sind als wir, bleiben sie viel öfter stecken.
Ungefähr zur Halbzeit fahren wir alle mal ans Ufer und machen eine Pause. Als ich Nico frage, wie es bisher für ihn war, traue ich meinen Ohren kaum, denn er sagt, es war "total chillig". Ja gut, er fährt auch beim Profi mit, der die Strecke und jeden Stein in- und auswendig kennt. Die zwei Pärchen sehen das eher so wie wir. Das Australische Pärchen gibt zu, dass sie es ganz schrecklich finden und froh wären, wenn es endlich vorbei wäre. Fallschirmspringen fanden sie weniger schlimm?! Nicht viel anders äußert sich das Englische Paar. Zu allem Überfluss hat der Mann seinen Ehering im Fluss verloren und das während der Hochzeitsreise. Schon tragisch. Wir hingegen haben uns inzwischen an alles gewöhnt, es funktioniert alles bestens, wir kentern nicht, wir bleiben kaum noch stecken und auch die Stromschnellen meistern wir mittlerweile mit Bravour, so dass ich endlich mal Muße habe mir anzusehen, in welcher atemberaubenden Kulisse wir eigentlich unterwegs sind. Wir befinden uns ganz unten in einer Schlucht, deren Wände sich nur unweit rechts und links von uns befinden. Alles ist komplett bewachsen oder von Moos überwuchtert, kleine Wasserfälle sind allenthalben zu sehen und an vielen Stellen wurden in die Felsen am Ufer Reliefs gehauen, auf denen Tiere, Dämonen und andere Figuren zu sehen sind. An einer Stelle kommt von einem Baum eine Flugschlange angeflogen und landet im Wasser und manchmal sieht man Einheimische, die verschiedenen Tätigkeiten nachgehen. Für die ist das Treiben der Touris auf dem Fluss bestimmt Idioten-TV für umsonst.
Dann
erreichen wir die Ausstiegsstelle, aber eins der Pärchen bekommt das nicht so
mit und fährt weiter. Lautstark brüllen ihnen die Guides hinterher, dass sie
sofort ans Ufer fahren sollen. Einer begibt sich zu ihnen, um das Boot an Land
zu bringen, wird dabei aber ständig von der Strömung mitgerissen und es dauert
eine halbe Ewigkeit, bis er bei ihnen ist. Später als Thomas unsere Tour auf
dem Fluss noch einmal auf der Karte nachvollzieht, wissen wir auch, warum genau
da unbedingt Ende der Fahrt sein musste. Ungefähr 100 Meter weiter gibt es
einen Wasserfall, den man auf gar keinen Fall mit irgendeiner Art von Boot
hinunter fahren sollte. Nun müssen wir eine ähnliche Treppe wie beim Abstieg
hinauf steigen und kommen dort heraus, wo der Veranstalter seine Zentrale hat.
Wir können duschen und uns dann am Bufett stärken.
Und schon geht es weiter zum Quad fahren. Die Fahrt dorthin dauert ungefähr eine halbe Stunde und ich freue mich schon darauf, gemütlich durch die Gegend zu fahren. Aber auch hier sollte es anders kommen, als ich erwartet hatte. Eigentlich sollten wir noch auf sieben andere Leute warten. Ich bin dann aber froh, dass wir doch nur zu dritt mit Guide starten dürfen. Wir bekommen wieder jeder einen Helm zudem Gummistiefel ausgehändigt. Für Thomas haben sie natürlich keine passende Größe da, also behält er seine Trekkingsandalen an. Ich habe zum Glück zwei Paar Strümpfe mitgenommen, so kann ich auch Nico eines geben. So ausgestattet sehen wir eher aus wie Grubenarbeiter als Touristen, die mal eben Quad fahren wollen, aber man wird wohl seine Gründe dafür haben. Die Quads sind zu meinem Leidwesen halbautomatisch, das heißt ich muss dauernd schalten und dabei kenne ich mich doch damit nicht aus. Egal denke ich, wird schon klappen. Wir fahren also los. Vorn der Guide, dann Nico, dahinter ich und als Schlusslicht Thomas. Nach einem kurzen Stück Weges biegen wir ab in den Dschungel und jetzt wird es grauenhaft. In tiefen, von den Rädern der Quads ausgefrästen Rinnen müssen wir zum Teil fast senkrecht runter fahren und das ganze noch mit einer Kurve und ich habe dabei immer Angst, dass ich mich mit dem Mistding überschlage oder auf die Seite kippe. Die Lenkungen sind derart ausgeleiert, dass man drücken muss wie ein Ochse, um sie in die andere Richtung zu drehen. Dabei das Schalten und Gas geben nicht vergessen und ja niemandem hinten rein fahren. Bei einem kurzen Stop passiert mir das natürlich und ich ramme Nicos Quad leicht. Aber auch Thomas fährt einmal auf mich hinten drauf.
Nachdem das eine ganze Weile so geht und alles andere als vergnüglich ist, weigere ich mich, auf dieser Strecke weiter zu fahren. Ich hab gerade erst eine fast dreistündige Fahrt hinter mir, bei der ich unablässig darauf aufpassen musste, dass mir nichts passiert, das brauche ich jetzt nicht nochmal zwei Stunden lang. Eigentlich wollte ich heute Spaß haben und nicht ständig Schiss haben, dass ich mich verletzte. Auch Thomas gibt zu, dass dieses Fahren auf Dauer keinen Spaß macht, also machen wir dem Guide klar, dass wir eine andere Strecke fahren wollen. Er gibt zu Bedenken, dass die Alternativstrecke wesentlich kürzer ist, das ist uns aber egal. Nun fahren wir zunächst zwischen Reisfeldern entlang und auch wenn man hier teilweise schief fahren muss, da die zwei gegossenen Fahrstreifen schmaler sind als unsere Reifenbreite, aber das ist wesentlich harmloser als die Quälerei durch den Dschungel. Richtig schön wird es dann, als wir auf der Straße durch die Dörfer und an Reisfeldern vorbei fahren. Hier machen wir auch mal Halt, um die Aussicht zu genießen. Zwischendurch gibt es einen Stop - ich glaube bei der Frau des Guides - die überteuerte Pocari verkauft (aber was soll´s) - und am Ende der Tour kann wer will noch einen kurzen Schlammparqour fahren. Ich will nicht, Thomas und Nico schon.
Dann
ist auch diese Aktivität zu Ende und wir steigen wieder in den Minibus, der uns
zurück ins Hotel fährt. Es ist jetzt ungefähr fünf Uhr am Nachmittag und ich
liebe das Licht, das um diese Tageszeit allem einen goldenen Hauch verleiht.
Wieder fahren wir die Skulpturenstraße entlang und an einer Stelle macht uns
unser Guide auf eine Beerdigungszeremonie aufmerksam. Zu sehen ist eine reich
geschmückte Bahre und daneben ein großer schwarzer Stier, vermutich aus
Pappmache oder einem anderen leichten Material. Wir bekommen erklärt, dass der
Tote nach der Zeremonie am Tempel, in den Stier gelegt und dann verbrannt
wird.
Ich stelle hier mal einen Auszug aus der "Neuen Zürcher Zeitung" ein, in der eine solche Zeremonie sehr anschaulich beschrieben wird:
"Unaufhörlich strömen festlich gekleidete Menschen im Dorf Abuan, im Hinterland der indonesischen Insel Bali, zusammen. Frauen in bestickten Blusen und mit duftenden Blüten im Haar balancieren grosse Körbe voll Opfergaben auf ihren Köpfen. Dutzende von schwarz gekleideten Männern tragen auf ihren Schultern goldene Türme aus Holz und riesige Figuren von Löwen und Kühen auf Bambusstangen durch den Ort. Mitglieder einer Musikgruppe schlagen in rasendem Tempo Tschinellen und kleine Gongs. Angetrieben von dieser rhythmischen Musik, vollführen die Männer mit den Holztürmen und den Tierfiguren ruckartige Wellenbewegungen und drehen sich um die eigene Achse. Es wird gejohlt, gelacht und getanzt. Es ist ein eindrückliches Spektakel, bei welchem das ganze Dorf zu vibrieren scheint. Als westlicher Zuschauer kann man es kaum glauben, dass es sich bei dieser lauten und bunten Zeremonie um eine hinduistische Totenfeier handelt. Aber genau darum geht es. In Abuan werden an diesem Septembertag die sterblichen Überreste von 48 Einwohnern für eine Massenkremation zum Haupttempel des Ortes gebracht, wo sie in Sarkophagen verbrannt werden sollen, welche mystischen Tieren nachempfunden sind.
Das Dorf hat mehrere Wochen, wenn nicht Monate, auf diesen Moment hingearbeitet. Die männlichen Bewohner haben die sehr kunstvoll gestalteten Tiersarkophage gebaut: meist Kühe für Frauen und Stiere für Männer. Daneben findet man aber auch Fische und Löwen. Welche Farbe diese Tiere haben, hängt von der gesellschaftlichen Kaste des Verstorbenen ab. Auch die Holztürme spiegeln die jeweilige Kastenzugehörigkeit. Für Mitglieder der Königskaste sind sie gerne bis zu elf Stufen hoch. Damit wird Macht bis in den Tod hinein demonstriert. Ebenfalls zur Männerarbeit gehören die Herrichtung der Kremationsstelle, das Aufbauen von Zelten, unter denen die Sarkophage später verbrannt werden, sowie das Zubereiten des Totenmahls. Die Frauen übernehmen die aufwendige Vorbereitung der Opfergaben, welche beim Kremationsprozess zum Einsatz kommen. Diese minuziöse Arbeit startet meist schon Wochen zuvor. Aus Palmblättern werden filigrane Figuren geschnitzt; Tausende Blüten werden in bestimmter Farbreihenfolge auf Bambusstocher gesteckt, und aus farbigem Reismehlteig werden religiöse Symbole geformt.
All diese Arbeiten haben nach den Anweisungen der Hohepriester zu erfolgen. Schliesslich ist die Kremation der wichtigste Moment im Leben eines Balinesen – was für westliche Ohren gar unverständlich klingen mag. Geht bei diesem heiligen Akt etwas schief, kann die Seele des Verstorbenen nicht von ihrem irdischen Dasein erlöst werden und in den Himmel emporsteigen, sondern sie muss dann als Geist auf der Erde wandeln. Das wäre eine grosse Katastrophe, denn eine Seele, die den Himmel nicht erreicht, kann nicht wiedergeboren werden und fällt somit aus dem göttlichen Zyklus heraus, an den die hinduistischen Balinesen glauben. Folglich ist das Leben eines Balinesen immer auch auf die Kremation nach dem Tod ausgerichtet. Und so muss er sich zeitlebens mit der Dorfgemeinschaft gut stellen, um zum Schluss auf deren Unterstützung zählen zu können. Trotzdem kommt es regelmässig vor, dass die Dörfler einem abtrünnigen Mitglied nach seinem Tod die Teilnahme am Kremationsritual versagen. Die Familie des Verstorbenen hat dann händeringend mit dem Dorf zu verhandeln und meist einen hohen finanziellen Obolus zu leisten, um ihren Toten doch noch an der Feuerbestattung teilnehmen zu lassen. Dabei wäre es ja eine simple Angelegenheit: Die Seele eines Toten wird durch die Verbrennung vom Körper befreit und fährt zum Himmel. Das grundsätzlich einfache Ritual hat sich aber im Laufe der Zeit zu einer komplexen, für die beteiligte Familie enorm kostspieligen Angelegenheit entwickelt. Auf diese Weise sollen sowohl die Seele des Verstorbenen beeindruckt werden als auch die Grossfamilie und die Dorfgemeinschaft. Nicht selten haben sich die Angehörigen eines Toten hoch zu verschulden, weil eine üppige Kremation gerne das Äquivalent von zwei bis drei Jahressalären eines einfachen Angestellten kostet. Nicht nur die Fabrikation der Ornamente und des Sarkophags muss finanziert werden, auch der Hohepriester will bezahlt und die ganze Dorfgemeinschaft während der Vorbereitungszeit wie auch am Kremationstag verpflegt sein.
Günstiger fährt, wer seine Verstorbenen bei einer der nur alle fünf Jahre stattfindenden Massenkremationen ins Jenseits verabschiedet. Dann lassen sich die Kosten mit anderen Sippen teilen. Das allerdings hat zur Folge, dass Familien, die beim Ableben eines Mitglieds über nicht genügend Barmittel für eine unmittelbare Verbrennung verfügen, den Toten so lange der Erde übergeben, bis genügend Geld für eine Feuerbestattung beisammen ist. Er bleibt in diesem Falle mindestens drei, aber nicht länger als fünf Jahre in der Erde. Während dieser Zeit werden dem Toten stets Opfergaben dargebracht, da seine Seele im Körper verharrt. Diese Begräbnisstätten liegen abgeschieden in einem Waldstück und sind nicht als solche zu erkennen. Sie werden von den Dorfbewohnern als Ort der Dämonen gemieden. Die Kremation selber besteht aus zahlreichen Zeremonien, Ritualen und heiligen Handlungen vor und nach der Verbrennung. Die Priester und Dorfältesten geben vor, wann genau welches Ritual vollzogen werden muss, damit die Kremation korrekt ausgeführt werden kann. Nach dem balinesischen Kalender eignen sich nur ganz bestimmte Tage dafür. Sie werden von Priestern nach komplizierten astrologischen Berechnungen festgelegt.
Die Todeszeremonie startet einige Tage vor der Verbrennung. Die Seele des Toten wird auf dem Friedhof geweckt und ins Haus der Familie gerufen. Dort verabschiedet man sich mit verschiedenen Ritualen von ihr. Am grossen Tag der Feuerbestattung wird die Seele symbolisch mit einem Abbild des Toten im goldenen Holzturm vom Haus zum Kremationsplatz getragen. Mit den tanzähnlichen Bewegungen während der Parade sollen die bösen Geister verwirrt werden, auf dass sie der Seele des Verstorbenen nicht nachfolgen können. Jede Kremation hat ihren eigenen Charakter, welcher dem des Verstorbenen entspricht. Wenn es ein lustiger Mensch war, dann wird während der Feuerbestattung viel gelacht. War es ein geiziger Mensch, ist die Kremation rasch vorüber. So oder so bleiben nur ein paar verbrannte Flecken Erde auf dem Friedhof übrig, die im tropischen Klima rasch wieder mit Gras überwachsen sind. Noch kann die Trauerfamilie allerdings nicht zum Alltag zurückkehren. Denn jetzt fängt die Zeit der Besuche an. Die Familie des Verstorbenen muss sich bei allen an der Kremation Beteiligten bedanken und Geschenke überbringen. Erst danach kehrt im Dorf wieder Ruhe ein." (Neue Zürcher Zeitung, 01.11.2013)
Zurück im Hotel wird ausgiebig geduscht und nach dem Abendessen hängen wir nur noch faul ab. Das war ein ganz schön aufregender Tag.
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