RIO DE JANEIRO - BRASILIEN




Rio de Janeiro ist die zweitgrößte Stadt Brasiliens und liegt unmittelbar an der Guanabara-Bucht. Der Name (Portugie­sisch für „Fluss des Januars“) entstand, weil André Gonçalves am 1. Januar 1502 die Bucht entdeckte und sie irrtümlich für die Mündung eines großen Flusses hielt. Im eigentlichen Stadtgebiet leben mehr als 6,3 Millionen Einwohner, knapp 12 Millionen im gesamten Einzugsgebiet . Die Bewohner der Stadt nennt man Cariocas, nach einem Wort aus dem Tupí-Guaraní, der Sprache der Einge­borenen, welche „Hütte des weißen Mannes“ bedeutet.

Surfer, sonnenhungrige Touristen und braungebrannte Schönheiten treffen sich in Party-Laune am Strand. Samba und Bossa Nova-Rhythmen klingen aus den Straßencafés. Man spürt die prickelnde Atmosphäre dieser Stadt. Die knappsten Bikinis und der "hippste" Karneval der Welt. Was macht Rio de Janeiro so einzigartig? Vielleicht ist es das Lebensgefühl, das die Cariocas - die Einwohner Rio de Janeiros - vermitteln, vielleicht das Klima, vielleicht die wun­derschöne Lage - wahrscheinlich eine Mischung all dieser Faktoren.

Um diese Frage für uns selbst beant­worten zu können, haben wir den gan­zen letzten Tag zur Verfügung. Fast alle lassen sich früh am Morgen wecken, um die grandiose Einfahrt in den Hafen von Rio nicht zu verpassen, denn es ist die Gelegenheit, zwei der Wahrzeichen die­ser Stadt vom Wasser aus zu sehen: den Zuckerhut und den Corcovado mit der Christus-Statue obenauf.

Die vom Sonnenaufgang orangerot ge­färbten Wolken und das dadurch ent­stehende Licht, geben der Aussicht noch eine ganz besondere Note. Die gläser­nen Fassaden der Hochhäuser reflek­tieren das Licht der Sonne, so dass die Skyline am Hafen zu glitzern scheint. Etwas dahinter sind bereits die ersten Favelas zu sehen, die den Hang hinauf gebaut wurden. Diese Uhrzeit wird wohl auch von den anderen Kreuzfahrtgesell­schaften favorisiert, denn hinter uns her fahren noch drei weitere Schiffe.


















Wir nehmen unser letztes Frühstück auf der Terrasse ein mit Blick auf Rio und müssen uns dann zum Auschecken ver­sammeln. In farblicher Reihenfolge dürfen die Passagiere aussteigen, damit es kein Chaos gibt. Wir sind – ein Zufall – die Grünen, und damit als letzte dran. Von Trommelklängen und zwei feschen Tänzerinnen, die ihre ansprechende Hinteransicht für uns im Rhythmus schwingen, werden wir an Land empfangen. Die Formalitäten zur Ein­reise funktionieren hier genauso wie an einem Flughafen.

Schließlich haben wir alle den Zoll pas­siert und besteigen den Bus für unsere Rundfahrt durch Rio. Gleich am Anfang fahren wir am Sambadrom vorbei und sehen einige, leider mit Planen abge­deckte, Umzugswagen. Das Sambadrom ist die 1984 gebaute Tribünenstraße im Stadtteil Estacio, in dem der Umzug und die Wettbewerbe der Sambaschulen im Karneval stattfinden. Die Arena ist etwa siebenhundert Meter lang und bietet 88.500 Zuschauern Platz. Vor dem Bau des Sambadroms fand der Umzug im Zentrum Rios statt und hat regelmäßig den kompletten Verkehr lahm gelegt.

Immer wenn man freie Sicht auf die vielen Hügel Rios hat, sieht man wieder Teile der größten Favela Lateinamerikas, die Rocinha von Rio mit ungefähr 250.000 Einwohnern. Dies ist bei wei­tem nicht die einzige Favela Rios, aber wohl aufgrund ihrer Lage inmitten der wohlhabenden Strände Copacabana und Ipanema die berühmteste.












Das erste Ziel, das wir anfahren, ist der Zuckerhut, das heißt die Seilbahnstation, die zum Gipfel des Zuckerhutes hinauf fährt. Der Weg nach oben besteht aus zwei Abschnitten, denn die Seilbahn macht auf halber Strecke auf dem Morro da Urca halt, wo man umsteigen muss. Da wir hier nicht so früh angekommen sind, wie es eigentlich geplant war, se­hen wir eine  ellenlange Schlange von Menschen in der brütend heißen Vor­mittagssonne anstehen. Und das sind die, die bereits ein Ticket haben! Eine einfache Rechnung wird aufgemacht: um die Tickets zu kaufen, an der Seil­bahn anzustehen, beim Umsteigen er­neut anzustehen und das Ganze wieder zurück, würden wir wahrscheinlich um die vier Stunden Zeit benötigen. Das Ganze in der bis dahin noch erbar­mungsloseren Mittagshitze, nur um sich auf dem Gipfel mit Hunderten von an­deren Menschen auf der Aussichtsplatt­form zu drängen.

Als der Chef beschließt, dass wir auf dieses „Vergnügen“ lieber verzichten, atmen alle erleichtert auf und steigen wieder in den angenehm klimatisierten Bus ein. Auf der Fahrt zur Copacabana sehen wir auch die Lagune von Rio und immer wieder die Christus-Statue, die ihre Arme schützend über die Stadt aus­zubreiten scheint.





















An der Copacabana machen wir halt und dürfen uns eineinhalb Stunden lang auf Erkundungstour begeben. Die Copa-cabana ist einer der bekanntesten Stadtteile Rio de Janeiros, der direkt zwischen dem Atlantik und den mit Favelas bevölkerten Granitfelsen liegt und über einen vier Kilometer langen Sandstrand verfügt. Laut Berichten er­hielt der Stadtteil seinen Namen durch Marienkunstwerke, die aus dem gleich­namigen, als Wallfahrtsort weit be­kannten Copacabana  am Titicacasee in Bolivien eingeführt wurden. Dessen Name wird einerseits aus der Indiospra­che kommend mit „Sicht auf den See“ erklärt, könnte sich aber auch vom Na­men einer frühzeitlichen Wassergottheit, die ähnlich einer Aphrodite oder Venus war, herleiten.

Der halbmondförmige, rund 4 km lange Strand mit der Promenade wird auch „Princesinha do Mar“ (Kleine Meerprin­zessin) genannt und sah in den 1930er, 1940er und 1950er Jahren sein goldenes Zeitalter. Als Stadtteil derBohéme, des Reichtums und des Glanzes ist die Copacabana zum Thema vieler Musik­stücke, Bücher und Bilder geworden. Das Viertel verfügt über viele Restau­rants, Kinos und Theater. Durch die sukzessive Ersetzung der Villen durch zehn- bis zwölfstöckige Wohnblocks hat die Bevölkerungsdichte seit den 1970er Jahren stark zugenommen. Daher ist die Copacabana heute sehr überfüllt, trotz­dem ist es eines der attraktivsten Viertel mit seinen mehr als 70 Hotels, die viele Touristen anziehen.

Die Copacabana ist 5,08 Quadratkilo­meter groß und weist momentan mit 34.000 Bewohnern pro Quadratkilome­ter die höchste Bevölkerungsdichte Rios auf. Sie ist zugleich ein bekanntes Ver­gnügungsviertel. In den letzten Jahren kam es allerdings vermehrt zur Bildung von Jugendbanden, die gezielt Touristen ausrauben. Diese Banden werden von den Einheimischen „Uté“ genannt. Also heißt es für uns, auffällige Wertsachen im Bus lassen und gut aufs Geld aufpas­sen.

Die durch einen Mittelstreifen geteilte Straße vor dem Strand wird sonntags – also auch heute – auf der einen Seite für den Verkehr gesperrt, so dass man ausreichend Platz zum Flanieren oder Fahrrad fahren hat. Oder man mietet sich eines dieser sonderbaren vierrädri­gen und durch Pedale angetriebenen Gefährte, auf dem dann vier Leute Platz haben. Auf dem Bürgersteig werden allerlei Waren von fliegenden Händlern angeboten, die Strandbars bieten kühle Erfrischungen und es gibt sogar einen öffentlichen Wasserzerstäuber, unter dem an sich abkühlen kann.

Den Strand selbst sieht man vor lauter in einheitlichem Rot gehaltenen Schir­men, ebensolchen Liegestühlen und massenweise Menschen kaum noch. Dennoch herrscht hier eine heiter gelas­sene Stimmung; niemand scheint sich an der Überfüllung ernsthaft zu stören.

Wir schwärmen aus in die Restaurants, Supermärkte, zu Burger King, shoppen oder einfach den Strand entlang. Jeder nach seinen persönlichen Vorlieben, bis wir uns schließlich wieder am Bus tref­fen.

Als Ersatz für die Seibahnfahrt steuern wir die Firma Helisight an, die Panorama­flüge über Rio mit dem Hubschrauber anbietet. Der vorherige erste Versuch war an zu langen Wartezeiten geschei­tert, doch diesmal bekommt es unser Reiseleiter irgendwie hin, dass das Ganze doch noch für uns arrangiert werden kann.

Für mich ist dies zwar erst die dritte Firmen-Reise, an der ich teil­nehme, aber die Hubschrauberflüge waren bisher immer die absoluten High­lights; sowohl in Kapstadt als auch in den USA. Und so ist es auch hier. Es fällt  mir schwer, die tatsächliche Flug­zeit zu schätzen, aber beim Warten ist sie viel zu lang; sitzt man aber selbst im Hubschrauber ist sie natürlich viel zu kurz.

In mehreren uns zur Verfügung stehen­den Helikoptern heben wir jeweils zu viert ab und drehen eine Runde entlang der Copacabana, Ipanema, über den Zuckerhut und zweimal um den Corcovado herum, damit jeder Passagier die Christus-Statue jeweils von seiner eigenen Fensterseite aus sehen kann. Man sieht sehr schön die große Kurve der Copacabana mit seinem flächen­deckenden roten Sonnenschirmmeer und dass die  Bebauung Rios ab einer bestimmten Höhe aufhört.

Erst von hier oben wird deutlich, wie groß der Anteil ist, den der Tijuca-Na­tionalpark in Rio einnimmt. Er umfasst knapp vierzig Quadratkilometer und wurde 1961 angelegt. Mittendrin steht der Corcovado („der Bucklige“), dessen 710 Meter hoher Gipfel die Christus-Statue, das berühmteste Wahrzeichen Rios, ziert. Diese Statue wurde ur­sprünglich aus Anlass der hundertjähri­gen Unabhängigkeit Brasiliens geplant. Der Bau der Statue begann 1922, Finan­zierungsprobleme verzögerten den Bau aber um fast zehn Jahre, ehe nach der Unterstützung der Erzdiözese Rios, des Vatikans und Frankreichs schließlich die Einweihung am 12. Oktober 1931 statt­finden konnte.

Die Statue ist 30 Meter hoch und ruht auf einem 8 Meter hohen Sockel, der auch eine Kapelle für 150 Personen be­herbergt. Die Spannweite der Arme be­trägt 28 Meter, das Gesamtgewicht der Statue 1145 Tonnen. Der Kopf und die Hände wurden nach Gipsmodellen ge­fertigt, die der Französische Bildhauer Pual Landowski in seinem Atelier nahe Paris hergestellt hatte. Baumaterial ist Stahlbeton, der mit einem Mosaik aus Speckstein überzogen ist. Anlässlich des 75. Jahrestages der Errichtung wurde die Christusstatue im Jahr 2006 zum katholischen Wallfahrtsort geweiht.





















Dass dieser Flug ein voller Erfolg war, kann man daran sehen, dass aus­nahmslos alle die Hubschrauber min­destens mit einem breiten Grinsen ver­lassen, obwohl jeder bestimmt gern noch länger in den Lüften geblieben wäre.

Wieder im Bus geht es nun ein weiteres Mal an der Copacabana vorbei in Rich­tung  Abendessen. Inzwischen sind die Straßen voll mit Menschen, die auf dem Weg zum Karneval sind, beziehungs­weise zu dem Ort, an dem sie feiern wollen. Einige Straßen sind dadurch für Autos nicht mehr passierbar; Jung und Alt, Touristen und Einheimische sind unterwegs. Viele haben sich kostümiert auf zum Teil sehr originelle Weise. Nicht einmal die Hunde bleiben davon ver­schont. Direkt an der Copacabana sam­meln sich bereits ein paar Umzugswa­gen. Wir nehmen an dem Vergnügen aber nicht teil – wahrscheinlich aufgrund des nicht zu kalkulierenden Chaos, das hier in einigen Stunden losbrechen wird.


















Stattdessen beschließen wir diesen auf­regenden Tag mit einem Essen in einer Churrascaria mit Blick über das Wasser auf den Zuckerhut. Diese Art Restaurant hat sich vor allem auf gegrilltes Fleisch spezialisiert. Während die Beilagen als offenes Buffet bereitgestellt werden, an dem sich der Gast nach Wahl bedient, wird das gebratene Fleisch frisch vom Grillspieß direkt am Tisch für den Gast mit einem sehr scharfen Messer in ge­wünschter Menge abgeschnitten. In regelmäßigen Abständen bietet das Per­sonal unterschiedliche Fleischsorten an.

Sehr originell ist auch die so genannte „Fleischampel“ in der Form eines Bier­deckels. Die rote Seite zeigt Sättigung, die grüne weiteren Fleischbedarf an. Allerdings wird die rote Seite von den Servicekräften freundlich ignoriert und wenn man nicht energisch einschreitet, landen weiterhin Fleischberge auf dem Teller. Eine Sushi-Theke steht für die Freunde von Fisch auch noch zur Verfü­gung. Auch die Desserts sind traumhaft. Viel zu viel aber sehr lecker.












Wir sitzen uns an langen Tischen ge­genüber und vor allem die Männer ge­nießen die Unmengen an Fleisch, die man sich hier auftischen lassen kann. Um immer wieder Platz im Bauch zu schaffen, gehen wir ab und zu raus – auch um ein letztes Mal die malerische Kulisse des Zuckerhutes vor strahlend blauem Himmel zu genießen.

Als es dämmert gehen die Lichter am Strand an und aus dem Etablissement nebenan ertönt Musik. Hier geht es heute Abend bestimmt hoch her, denn schließlich ist ja Karnevalszeit. Doch für uns heißt es leider Abschied nehmen. Mit dem restlichen Licht des Tages ge­hen wir ein abschließendes Mal in den Bus, der uns zum Flughafen bringen wird. Wir können noch einen letzten Blick auf die inzwischen angeleuchtete allgegenwärtige Christusstatue werfen, die uns mit ihren ausgebreiteten Armen bereits jetzt für ein eventuelles Wieder­sehen willkommen heißt.











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