Drei
Stunden vor Abflug müssen wir am Terminal sein, wegen der erhöhten
Sicherheitsvorkehrungen für Flüge in die USA. Wir checken bei der LUFTHANSA ein
und der anschließende Sicherheitscheck dauert glücklicherweise nicht allzu
lang. Der Flug ist etwas enttäuschend. Anders als wir es bei den
internationalen FluggeselLschaften gewohnt sind, gibt es hier nur wenige für
die Allgemeinheit aufgehängte Bildschirme, auf denen hintereinander drei
verschiedene Filme gezeigt werden. Das Essen ist nicht großartig und obwohl
die Servicewagen gerade einmal die Hälfte der Leute bedient haben, ist eines
von ursprünglich zwei zur Auswahl stehenden Gerichten nicht mehr erhältlich,
so dass wir mit wenig erfreulichen Ravioli vorlieb nehmen müssen. Der
Sitzkomfort geht so, auch weil wir immer wieder aufstehen und in Grüppchen, was
eigentlich auf USA-Flügen verboten ist, herumstehen und plaudern.
Der
zehnstündige Flug geht allerdings recht flott vorbei. Dazu haben sicherlich
auch die netten und freundlichen Stewards, die für unsere Abteilung zuständig
sind und mit denen wir auch das eine oder andere Schwätzchen gehalten haben,
beigetragen. Einer von ihnen begrüßt bei seinen Ansagen die Fluggäste immer mit:
„Liebe Damen und Herren, liebe Kinder“. Es liegt vielleicht auch daran, dass
wir ausnahmsweise mal in den Tag hinein fliegen und nicht zu einer Zeit, in
der man normalerweise müde ist und schlafen würde, wenn man könnte. Wir
überfliegen Grönland und die Arktis, wo wir auf bis zum Horizont reichende
Eisdecken blicken und die schneebedeckten Rocky Mountains, die schlagartig in
eine grüne Ebene übergehen.
Normalerweise
dauert dieser Flug über elf Stunden, da wir aber günstigen Rückenwind haben,
landen wir bereits nach guten zehn Stunden in San Francisco. Die amerikanischen
Einreisebestimmungen sind sehr streng. Es mussten vorab Einreisegenehmigungen
eingeholt werden und man wird an der Passkontrolle fotografiert und von allen
zehn Fingern werden Fingerabdrücke genommen. Der Mann an der Passkontrolle ist
aber sehr freundlich und erlaubt sich ein paar Scherze. Kaum am Gepäckband angekommen
haben wir auch schon unsere Koffer und begeben uns zum Ausgangsbereich des
Flughafens, wo wir auf den Rest der Gruppe warten.
Obwohl
einige von dem Flug sicherlich sehr gerädert sind und sich lieber ausruhen
würden, bringt uns der Bus, in den wir einsteigen, nicht etwa zum Hotel,
sondern startet mit uns gleich zu unserer ersten Stadtrundfahrt. Ich finde das
sehr gut, denn auf dem Zimmer würde man sicherlich nur einschlafen und dann
die ganze Nacht aufbleiben müssen. Hier machen wir auch Bekanntschaft mit
Bernd, der für die Zeit unseres Aufenthaltes in den USA unser Reisebegleiter
sein und uns durch seine liebenswürdige Art, seine nimmermüde Bereitschaft,
Fragen zu beantworten und sein beeindruckendes Wissen in Erinnerung bleiben
wird.
Man
sagt, San Francisco sei die europäischste aller US-Städte – auf jeden Fall ist
sie aufgrund der bunten Mischung ihrer Bewohner eine der interessantesten und
schillerndsten. Hier bekommt jeder sein eigenes Viertel: Chinesen, Japaner,
Italiener, Latinos, Hippies und die Homosexuellen. Dennoch grenzt sich keine
Gruppe von der anderen ab, so dass manche Straßen eine abwechslungsreiche
Aneinanderreihung verschiedenster Geschäfte der unterschiedlichen
Nationalitäten bieten. Vielleicht ist dies der Tatsache geschuldet, dass nach
dem großen Beben von 1906 und der darauf folgenden verheerenden Feuersbrunst
die gemeinsame Anstrengung, ihre geliebte Stadt wieder aufzubauen, die Bewohner
auf besondere Weise zusammengeschweißt hat. Die vielen Feuerleitern an den
Häusern gemahnen an die stets latente Gefahr erneuter Erdbeben.
Auch
klimatisch ist diese Stadt eine Besonderheit. Die Winter sind eher mild und im
Sommer wird es nie richtig heiß, so dass San Francisco in einem Zustand des
ewigen Frühlings zu verharren scheint und einer mediterranen Fauna zu
gedeihen erlaubt. Die Sommernebel, die Teile der Stadt in dicke Nebelschwaden
taucht, sind berühmt berüchtigt.
Sicherlich
ist San Francisco auch eine der hügeligsten Straßen der Welt mit bis zu 21%
Gefälle, deren Überwindung zur Entwicklung der Cable Cars geführt hat, nachdem
die Pferdekutschen immer wieder rückwärts die Hügel hinuntergeschlittert sind
mit den bedauernswerten Tieren im Schlepptau. Dieses System funktioniert mit
unterirdischen endlos umlaufenden Kabelsträngen, in die die Wagen sich mit
einer Spannklaue durch einen Schlitz in der Fahrbahn einklinken. Die Kabelbahn
von San Francisco ist die einzige verbleibende Kabelstraßenbahn mit
entkoppelbaren Wagen der Welt.
San
Francisco ist eine sehr beeindruckende Stadt und uns auf Anhieb sympathisch. Diese
erste Fahrt führt uns zur City Hall, dem Rathaus der Stadt, vorbei am Union
Square und der Market Street im Schatten der Transamerica Pyramid. Wir fahren
durch das Castro-Viertel, wo die Homosexuellen wohnen und überall die
Regenbogenfahnen hängen und schlängeln uns durch die kleinen Straßen, in denen
noch viele von den im viktorianischen Stil gebauten und liebevoll restaurierten
Häuschen zu sehen sind. Damit wir die grandiose Aussicht auf die Stadt genießen
können, fahren wir hoch auf die Twin Peaks, wo man bis rüber nach Oakland
blicken und die beiden Brücken – die Golden Gate Bridge und die San
Francisco-Oakland Bay Bridge – die die Bucht von San Francisco überspannen,
bewundern kann. Es geht durch Chinatown, Japanesetown und wir halten an einem
großen Park, der bewusst als Grünfläche in San Francisco beibehalten wird, wo
jeder Quadratmeter ein Vermögen wert ist.
Unser
Hotel ist das Hotel Argonaut, direkt an der Fisherman´s Wharf an der Waterfront. Es ist ein großes
aus Ziegelsteinen gebautes Eckgebäude und im maritimen Stil eingerichtet. Unser
Zimmer ist großzügig mit zwei großen Einzelbetten, der große Spiegel an der
Wand und die kleinen über den Betten sind Bullaugen nachempfunden. Nicht
besonders protzig sondern geschmackvoll schön. Die Vegetation in San Francisco
mutet sehr mediterran an; man sieht überall blühende Bäume und Blumen und wir
haben durch unser Fenster einen direkten Blick auf die Golden Gate Bridge. Vis
a Vis des Hotels befindet sich Alcatraz und unweit des Hotels liegen die Piers,
von dem aus man beispielsweise Touren zur Gefängnisinsel unternehmen kann.
Einen richtigen Fischmark gibt es hier nicht mehr, dafür aber unzählige Läden,
Galerien, Buden und Restaurants, in denen man sich die Früchte des Meeres
schmecken lassen kann.
Das Hotel Argonaut
Nach
der Stadtrundfahrt bleiben wir nicht sehr lange im Zimmer, sondern unternehmen
einen Bummel an der Waterfront entlang, sehen uns an, was die vielen Geschäfte
zu bieten haben und kafuen uns jeder eine Windjacke, weil die Temperaturen hier
doch kühler sind, als wir erwartet hatten und der ständige Wind und die für
morgen angekündigte Bootsfahrt dies ratsam erscheinen lässt. Es gibt witzige Geschäfte,
obwohl sich das Angebot weitestgehend wiederholt, wie zum Beispiel Candies in
the Bar, d.h. Süßigkeiten in der Tonne, wo man sich Bonbons nach Gewicht oder
Penis Pasta kaufen kann, viele verschiedene Restaurants und Buden, wo man
Meeresfrüchte essen kann und in den kleinen Seitenstraßen laufen gigantische
Dohlen herum und warten darauf, dass mitleidige Seelen etwas von ihrem Essen
abgeben. Große Ketten und Shopping Malls werden hier bewusst nicht zugelassen.
An dem McDonalds geht man fast vorbei, wäre nicht ein unscheinbares M an der
Hauswand angebracht.
Eine
kleine menschliche Attraktion gibt es noch: das ist der Bushman, ein Schwarzer,
der sich hinter einem vorgehaltenen Busch versteckt und die ihm entgegen kommenden
Leute erschreckt und damit seinen Lebensunterhalt verdient, indem er von den
Menschen, die dadurch ihren Spaß haben, Geld einsammelt. Der Wille und die
gewollt explizite Betonung von Individualität als eigenständigem Wert führt zu
weiteren Besonderheiten, die das Stadtbild der Waterfront prägen. Da sind zum
einen die in aller Welt und aus allen Jahrzehnten zusammengekauften
Straßenbahnen, die wir in ihrer Vielfältigkeit im Bereich der Fisherman´s Wharf bewundern können. Auch die
Sightseeing-Busse sind sehr unterschiedlich und liebevoll gestaltet. Eines
sieht aus wie ein Boot auf Rädern. Gleich um die Ecke von unserem Hotel ist die
Endhaltestelle der Cable Cars, die die Market Street im Zentrum mit der
Waterfront verbindet.
Candies in
the Bar
Cable Car
Der Bushman
Fisherman´s Wharf
Der Blick aus unserem Hotelfenster
Für
das Abendessen gehen wir ins McCormick & Kuleto´s Seafood Restaurant, das
ebenfalls unweit unseres Hotels liegt und einen Blick auf den Hafen bietet.
Das Menü besteht aus drei Gängen, aus Salat mit Krebsfleisch, Hummer und Filet
Mignon und verschiedenen Nachspeisen. Hier bekommen wir einen ersten Eindruck von
der amerikanischen Küche. Sie haut einen nicht um, ist aber trotzdem recht gut.
Gegen
halb neun löst sich die Gesellschaft auf. Ich glaube heute gehen alle auf
direktem Weg in ihre Betten. Ich wache immer wieder auf und schlafe insgesamt
nur kurz und schlecht. Für mich ist das eindeutig die falsche Richtung für Reisen.
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