Unser
Flug nach Buenos Aires startet gegen zehn Uhr am Abend mit der Lufthansa. Da es
sich dabei um einen Nachtflug handelt und die meisten von uns geschlafen haben,
gibt es davon nicht viel zu erzählen. Gegen acht Uhr am Morgen landen wir
wohlbehalten in der Hauptstadt Argentiniens. Wie schon bei der letzten Reise
steigen wir direkt am Flughafen in unseren Bus ein, der uns auf eine
Stadtrundfahrt durch die Südamerikanische Metropole mitnimmt.
Sie
ist das kulturelle, politische, kommerzielle und industrielle Zentrum Argentiniens
und wurde nach der Schutzheiligen der Seefahrt Santa Maria del Buen Ayre
benannt, was nichts anderes heißt als die Heilige Maria der guten Winde. In
dieser Stadt wohnen ungefähr fünfzehn Millionen Einwohner und damit mehr als
ein Drittel der Argentinischen Bevölkerung. Argentinien ist siebenmal so groß
wie Deutschland und weist somit im Vergleich eine relativ geringe
Bevölkerungsdichte auf. Die Bevölkerung von Buenos Aires ist überwiegend
spanischen und italienischen Ursprungs, wurde aber auch von der großen Einwanderungswelle
der Europäer stark geprägt.
Wir
fahren durch die typischen Wohnquartiere, die so klingende Namen haben wie
Montserrat, San Telmo oder Flores. Sie sind ein wenig aufgeteilt wie kleine
Dörfer, d.h. jedes Quartier hat seinen grünen Platz und rundherum befinden sich
die Verwaltung, Kirche, Schulen und die kleinen Läden. Auf jedem Haus sind die
Wassertanks zu sehen, die das aufbereitete Trinkwasser aus dem Fluss
speichern.
Buenos
Aires ist wie auf dem Reißbrett in übersichtliche Quadrate eingeteilt. Von
einer Straße zur nächsten sind es immer 100 Meter. Für die Orientierung in der
Stadt ist das sehr praktisch; die Einheimischen verabreden sich nicht an
Hausnummern, sondern an Straßenecken. Die Häuser sind blockweise nach
Hundertern nummeriert, was ebenfalls die Orientierung vereinfacht.
Dann
erreichen wir die Altstadt, die geprägt ist von den typischen sehr schmalen
Häusern, die aber lang in den Block hineinragen. Die Einheimischen nennen sie
deshalb Wursthäuser. Die russisch-orthodoxe Kirche, die ein Zeugnis für die
Anwesenheit der russischen Einwanderer der vorletzten Jahrhundertwende ist,
sticht durch ihre „exotische“ Bauweise und der edlen Farbgebung in Gold und
Blau malerisch aus dem tristen Einerlei der architektonisch recht freudlos
errichteten Quartiere heraus.
Schließlich
gelangen wir zum Flusshafen im Bezirk La Boca, der an der Einmündung des
Riachuela-Flusses liegt. Heute ist La Boca bei Touristen sehr beliebt, auch
wegen seiner originellen Häuser. Sie wurden aus dem Blech gebaut, das die
Schiffe, die hier ihre Waren abholten, als Gewicht geladen hatten und zum
Schutz vor der Feuchtigkeit mit Schiffslack bunt bemalt. Im El Caminito
(dem kleinen Weg) steigen wir aus und dürfen eine Weile durch die Straßen
flanieren und die wirklich sehr farbenfrohen zum Teil aber schon verfallenden
Häuser, die mit großer Liebe zum Detail bunt bemalt und hier und da, vor allem
auf den Balkonen, mit lebensgroßen Puppen dekoriert wurden, betrachten.
Ebenso
bunt bemalt ist die lange Mauer, in deren Nähe unser Bus anhält. Sie zeigt eine
Szene, in der Feuerwehrmänner ein personifiziertes Feuermonster mit ihren
Wasserschläuchen bekämpfen, deren Stil an die sozialistisch angehauchten
Gemälde Diego Riveras, dem großen sozialistischen Maler aus Mexiko, erinnern.
Aus den Bars und kleinen Läden ist immer wieder Musik zu hören, die das
ohnehin schon schöne Ambiente atmosphärisch untermalt. Auch wenn dieser
Stadtteil mit seinen vielen Souvenirläden recht touristisch anmutet, kann man
sich seinem zwar zum Teil morbiden aber dennoch lebensfrohen Charme nicht
entziehen.
Wir
fahren am alten Hafen vorbei und können einen ersten Blick auf den Rio de la
Plata werfen. Dabei hat man das Gefühl, als sähe man aufs Meer hinaus.
Später umrunden wir den Plaza de Mayo –
Platz der Mairevolution - der das Herz der Argentinischen Hauptstadt darstellt.
Hier befinden sich das imposante Gebäude der Nationalbank, das Rathaus, die
Kathedrale von Buenos Aires und der Präsidentenpalast Casa Rosada; deshalb so
genannt, weil das Gebäude komplett rosa gestrichen ist. Von hier aus regiert
die amtierende Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner.
Unseren
nächsten Halt machen wir am Feria de San Telmo, dem Flohmarkt der Stadt, der
jeden Sonntag seine Stände aufbaut. Es gibt dort allerlei Souvenirs, Handwerk
oder einfach Waren auf ausgebreiteten Decken mit Altem, Neuem, Antiquitäten, selbst
Gemachtes, Essen und natürlich Straßenmusiker und Tangotänzer zu erleben. Auch
hier ist die Atmosphäre entspannt quirlig und vor allem die Musik, die entweder
von älteren Herren leidenschaftlich vorgetragen oder vom Band, zur Begleitung
des Tanzpaares abgespielt wird, verleiht diesem Ort ein heiteres Südamerikanisches
Flair.
Bewegt
man sich ein Stück vom Flohmarkt weg, kommt man zu einer alten Markthalle, die
durch die Dachverglasung von Tageslicht durchflutet wird. Hier werden
hauptsächlich Lebensmittel angeboten. Da gibt es prächtige Obst- und
Gemüseauslagen, der Metzger haut beherzt auf die Fleischmassen ein, während der
Wurststand liebevoll seine Spezialitäten präsentiert. Eine halbe Etage höher
gibt es auch Trödelwaren und Kleidung und man kann ein einfaches Essen zu sich
nehmen, so dass das Innenleben dieser Markthalle eine ungewohnt bunte Mischung
aufweist.
Dann
geht es endlich zum Mittagessen in einer ganz besonderen Location. Paulas Bar
ist eine Tango-Bar, in der das Menu von einer kleinen Band und Tangotänzern
begleitet wird. Dass der Tango auch akrobatische Elemente enthält, haben wohl
die wenigsten von uns gewusst, und es ist der reinste Augenschmaus, die Paare
in Aktion zu sehen. Hier kommen auch die Fleischfreunde voll auf ihre Kosten,
denn wir können das berühmte Argentinische Rindfleisch sozusagen direkt an der
Quelle kosten. Es hat einen ganz hervorragenden Geschmack. Auch die liebevoll
zubereiteten Süßspeisen sind zwar stark zuckerlastig aber dennoch sehr gut.
Gestärkt begeben wir uns zum letzten Punkt unserer
Besichtigungstour dem Friedhof La Recoleta im gleichnamigen Stadtteil. Auf dem
Weg dorthin sehen wir Gummibäume gigantischen Ausmaßes mit Ästen, die so dick
und schwer sind, dass sie, wie in einigen der surrealistischen Gemälde Dalis,
teilweise abgestützt werden müssen, um nicht abzubrechen. Der Friedhof ist Ruhestätte
zahlreicher wohlhabender und prominenter Einwohner. Hier wurden argentinische
Präsidenten bestattet, Profisportler, Wissenschaftler und Schauspieler; zu den
bekanntesten zählt Evita Perón.
Der
Friedhof wurde von dem Französischen Ingenieur Próspero Catelin angelegt und 1881 von dem italienischen Architekten Juan Antionio Buschiazzo neoklassizistisch
umgestaltet. Reiche Familien ließen einige Reihen mit prächtigen Mausoleen
unterschiedlichster Architektur bebauen, die Eines gemeinsam haben: Sie
sollten lange vom irdischen Ruhm und Reichtum der Verstorbenen künden. Die
Wege sind großzügig angelegt und reichlich mit Bäumen bepflanzt.
Nicht
alle der Mausoleen haben die Zeiten gut überstanden, mindestens eins einer
ausgestorbenen Familie wird heute auch als Toilettenhaus genutzt, mit Lagen
frischen Toilettenpapiers und Hygieneartikeln hochgestapelt auf den Sarkophagen.
Ungewöhnlich ist die Tradition dieses Friedhofs, dass auf den Namenstafeln nur
das Sterbedatum, nicht jedoch das Geburtsdatum vermerkt wird. Im Gegensatz zu
anderen Friedhöfen ist La Recoleta auch kein urbanes Rückzugsgebiet selten
gewordener Tierarten. Dafür sorgt alleine schon die unübersehbare Anzahl
halbwilder Hauskatzen, die sich gegen Abend am Haupteingang versammeln, um
dort von einigen Tierfreunden gefüttert zu werden.
Wir
schlendern durch die zum Teil recht engen Gässchen, die sich zwischen den
verschiedenen Mausoleen und Grabmälern der verschiedensten Baustile mit Säulen
und Statuen verziert, auftun. Diese sind in sehr unterschiedlichem Zustand
erhalten. Einige erstrahlen in weißem gepflegtem Marmor, andere zeigen Spuren
der Verwitterung und Grasbewuchs. Das Grab der Evita,
die in Argentinien vor allem auch für ihr soziales Engagement immer noch
verehrt wird, ist fast immer mit Rosen geschmückt.
Wir
verlassen die erhabene Ruhestätte und begeben uns nun in Richtung Hafen.
Besonders auf den großen Alleen, die von den Kapokbäumen mit ihren riesigen
rosafarbenen Blüten gesäumt sind, fällt uns auf, wie leer Buenos Aires ist;
dies ist der Tatsache geschuldet, dass in Argentinien zurzeit Sommerferien
sind und zudem Sonntag. Da versucht jeder, der kann, irgendwie aus der Stadt
heraus zu kommen und ein schönes Plätzchen im Grünen zu finden, um dort das
Wochenende zu verbringen.
Schließlich
erreichen wir den Hafen am Fluss, wo unser Schiff – die SILVER SPIRIT –
angelegt hat. Dieser Hafen von Buenos Aires ist am Rio de la Plata – dem
Silberfluss – gelegen, der gemeinsam von den Iguazu-Wasserfällen und dem
Uruguay-Fluss gespeist wird. Die engste Stelle beträgt 22 km – so hat man schon
fast das Gefühl, ins Meer zu schauen – aber das Meer beginnt erst 200 km
südlich von hier.
Das
Einchecken funktioniert wie auf einem Flughafen an einem Terminal
einschließlich Passkontrolle und Sicherheitscheck. Im Schiff selbst bekommen
wir an der Rezeption die ersten Informationen zum Schiff und unsere Zimmerkarten.
Diese funktionieren für die Dauer unseres Aufenthaltes auch als eine Art
Ausweis, mit denen wir von Bord gehen, denn schließlich betreten wir zweimal
ein weiteres Land und die Schiffsleitung kann damit feststellen, ob vor dem Ablegen jeden Abend
Passagiere fehlen.
Unsere
Suiten sind alle mit Balkon und relativ großzügig geschnitten und ein Butler
ist dafür zuständig, dass es uns an nichts fehlt. Von ihm bekommen wir weitere
Informationen über die Abläufe auf dem Schiff, Essenszeiten, wo sich die
verschiedenen Restaurants und anderen
Einrichtungen befinden und vieles mehr. Um fünf Uhr findet schon die
Sicherheitsübung für die neuen Passagiere statt. Ausgerüstet mit unseren
Rettungswesten versammeln wir uns in dem mit reichlich rotem Plüsch ausgestatteten
Theater und erfahren alles über das Procedere, was zu tun ist, sollte es zu
einem Notfall kommen. Anschließend üben wir geordnet in Gruppen den Gang zu
den Rettungsbooten, wo wir uns wie die Schulkinder zum Morgenappell versammeln.
Damit ist die Übung dann auch schon beendet.
Anschließend
trifft man sich auf dem Pooldeck, wo wir in entspannter Atmosphäre unsere
Drinks und die angenehmen Temperaturen genießen können. Das tut richtig gut
nach den Minusgraden zu Hause. Ich weiß nicht wie es den anderen geht, aber
die alkoholischen Mixgetränke sind sehr großzügig bemessen und ich bin nicht
die einzige, die um ein milderes Mischungsverhältnis bitten muss.
Um
neunzehn Uhr treffen wir uns in der Observation-Lounge zum Empfang. Hier
herrscht eine gemütliche Atmosphäre und wir sind ganz unter uns; es werden
Drinks, Knabbereien und leckere Snacks gereicht. Ein weiteres Mal werden wir
über die vielen verschiedenen Annehmlichkeiten, die wir an Bord nutzen können,
informiert und offiziell an Bord willkommen geheißen.
Im
Hauptrestaurant nehmen wir schließlich unser Abendessen ein, denn die anderen
Restaurants bedürfen einer vorherigen Reservierung, wofür wir ja noch keine
Gelegenheit hatten. Auf Deck neun im Heck des Schiffes lassen wir den Abend
ausklingen, wo es einen ruhigen Loungebereich gibt. Hinter uns durchwühlt die
Schiffsschraube das von Sedimenten braun gefärbte Wasser des Flusses. Der
Himmel ist sternenklar und im Hintergrund leuchten uns die Lichter von
Argentinien zum Abschied, denn mit dieser Fahrt verlassen wir das Land und werden
am nächsten Morgen bereits in Uruguay anlegen. Dort erwartet uns auch eine neue
Zeitzone, denn wir haben dann nur noch drei Stunden Zeitverschiebung.
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